Äthiopien

Das grüne Dach Afrikas

 

Im blauen Dunst der Felsendome

 

Text und Fotos: Katharina Büttel

 

 

 

 

 

      Äthiopien galt schon immer als klassisches Reiseland Afrikas. Die „Historische Route" mit den Pilgerstätten Axum und Lalibela führt an die Ursprünge der hohen Kultur. Doch sollte niemand die gewaltigen Naturschönheiten und die Quelle des Blauen Nil versäumen. Reliefs, weltberühmte Wandmalereien und 15 000 Klosterkirchen vermitteln ein großartiges Bild der 3000 Jahre alten Geschichte des „geheimnisumwitterten" Landes am Horn von Afrika.

       Abebe, der einheimische Fahrer, zeigt uns den Weg zum Hyänenmann. Dasili ist die Attraktion von Harrar, islamische Stadt am Rand des Ogaden im Osten des sonst christlich-orthodoxen Äthiopien. Immer wenn es dunkel wird, ruft er die Allesfresser von den Hügeln herab und wirft ihnen große Stücke rohen Fleisches zu. So tat es sein Vater und davor viele Jahre dessen Vater. Mit diesem alten Ritual wollen die Harrari das Schicksal günstig stimmen und hoffen auf lebhaften Handel und gute Ernte. Da die Grenzen zu Somalia und Djibouti nahe sind und viele Händler anzieht, geht es den Harrari recht gut. Für viele andere dagegen im Land der ‚sonnenverbrannten Gesichter' – wie Äthiopien übersetzt heißt – sieht die Realität schlechter aus.

       Im Labyrinth der Altstadtgassen sind alle Probleme vergessen. 99 Moscheen gibt es hier, den ehemaligen Palast von Heile Selassie und den Palast seines Vaters Ras Makonnen. Auf dem bunten Moslemmarkt, wo schöne, buntgewandete Somali- und Oromofrauen lachen, schwatzen und feilschen, sind Armut und Hunger weit weg.

       

      Afrikas Himmel hat wieder geöffnet

      Weit weg ist auch die Hauptstadt Addis Abeba mit ihren mehr als drei Millionen Einwohnern. Sie liegt im Herzen des Landes 2400 Meter hoch in einem weiten Talkessel. Die Metropole ist kaum mehr als hundert Jahre alt. Ihr Gründer, Menelik II., nannte sie in seiner amharischen Sprache „Neue Blume". Unter diesem Kaiser entstand Äthiopien in seinen heutigen Grenzen. Der uns bekannte letzte Kaiser Heile Selassie wurde 1974 gewaltsam gestürzt – vom sozialistischen Oberstleutnant Mengistu. Er beendete die pompöse Herrschaft der ältesten Monarchie der Welt, 1992 wurde er dann selbst gestürzt. Seit Ende des Bürgerkrieges vor zwanzig Jahren wird das mittlerweile 77 Millionenvolk mit seinen achtzig Volksgruppen demokratisch regiert.

       „Afrikas Himmel hat wieder geöffnet", erklärt uns Dr. Anne, die einfühlsame Reisebegleiterin. Gosse Hoffnungen setzt man in den Tourismus am Horn von Afrika. Wer durchs Land reist erkennt, dass es sich hoffnungsvoll entwickelt hat. Auch die Besucherzahlen steigen ständig.

Zu entdecken gibt es viel. Ausgangspunkt ist – wie für alle Individual- und Studienreisenden auch - Addis Abeba, kurz Addis genannt. Der rote Expeditionsbus ist gerüstet, die Reise ins glorreiche, historische Kernland Äthiopiens kann beginnen. Hier reihen sich die Sehenswürdigkeiten aneinander wie Glieder einer Kette: Die Tississat-Wasserfälle des Blauen Nil bei Bahar Dar, die Klöster der koptischen Kirche aus dem 13. Jahrhundert an den Ufern und auf den Inseln des riesigen Tana-Sees. Leider heißt es hier ‚Baden verboten', denn das Wasser ist bilharzioseverseucht! Wir lassen uns mit einem Boot zu den größten Inseln fahren. Die liebenswürdigen Mönche zeigen bereitwillig ihre Schätze an alten Manuskripten, Bibeln, Kaiserkronen und Prozessionskreuzen.

 

  Engelköpfe schauen auf den Besucher

       Auf der anderen Seite des Sees zeichnet sich die Silhouette der mittelalterlichen Stadt Gondar gegen den Himmel ab. 7000 Quadratmeter groß ist die Burganlage mit sechs Schlössern des Stadtgründers Kaiser Fasiladas und den Palästen seiner Nachfolger aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Ritterromantik pur. Die Innenausstattung und die wunderschönen, naiven Wandmalereien beeindrucken. Kleinode sind das Kloster Debre Berhan Selassie und die Dreifaltigkeitskirche. Weltberühmt ist die Decke – unzählige Engelköpfe mit kirschgroßen, braunen Kulleraugen schauen wach auf die Besucher. Christliche Feste wie das Timbkat am 19. Januar und das Maskal spielen gerade hier eine bedeutende Rolle im äthiopischen Jahreskalender.

Szenenwechsel. Wir sind im wilden Westen des Landes – und der hat's in sich. Zum Glück haben wir einen cleveren Busfahrer. Der ist ein Fuchs, was die Serpentinen angeht, die sich steil in den Himmel schrauben. Sicher erreichen wir über den Wolkefit-Pass das grüne Dach Afrikas. Der Ras Dashen ist mit seinen 4620 Metern der höchste Berg des bizarren Simiengebirges. Die grandiose Hochgebirgskulisse, die tiefen Schluchten verschlagen jedem von uns die Sprache. Zweifellos ist das der landschaftliche Höhepunkt jeder Äthiopienreise.

 

      Canyons, Tafelberge, Felsendome

      Vorbei geht es an grünleuchtenden Terrassenfeldern, baumhohen Kandelaber-Kakteen und lebhaften Kamelmärkten ins biblische Land der Amharen und Tigrays. Ganz oben im Norden liegt Axum – die Wiege des Christentums oder auch Vatikan Äthiopiens. Mit Axum begründete das Land neben Rom, Babylon und Ägypten seinen Ruf als eines der großen Imperien der Antike. Hohe Grabstelen im Zentrum erinnern an das alte axumitische Reich, das im 4. Jahrhundert v. Chr. so mächtig war wie Rom oder Persien. Und die legendäre Königin Saba war hier zu Hause. Von ihren Palästen aus brach sie auf, um den weisen König Salomon zu sehen. Der Legende nach entführte einst ihr gemeinsamer Sohn Melek die Bundeslade mit den Gesetzestafeln Moses aus dem Tempel von Jerusalem nach Axum. In der Kirche Maria von Zion wird sie noch heute von einem sogenannten Ladenhüter bewacht, den erst der Tod von seiner Aufgabe entbindet.

Heftiger Regen stoppt unseren Wunderbus. Unser Ziel Lalibela, das Weltwunder der Felsendome, müssen wir nun mit dem Flieger ansteuern. In „Sarahs Restaurant" machen wir den halbstündigen Flug fest. Canyons, Tafelberge, Umlauftäler bieten große Landschaft – endlich aber liegt das Jerusalem Äthiopiens vor uns. Dumpf dröhnende Trommeln und sanfte Klänge der einseitigen Geige Masinquo weisen den Weg zu den Monolithkirchen. Mystische Gründe bewogen König Lalibela im 12./13. Jahrhundert, die Kirchen nicht zu bauen, sondern sie aus dem harten Felsmassiv herauszuschälen. Angefangen wurde die Skulptur beim Dach, beendet am Fundament. Ergebnis sind die wunderschönen, freistehenden, vom Fels eingerahmten mehrschiffigen Basiliken. Säulen, Bögen, filigrane Reliefs zieren die Meisterwerke. Die eleganteste ist die des heiligen Georg. Den Grundriss bildet ein Kreuz, das mit dem ausgemeißelten Kreuz auf dem Dach noch betont wird. An Festtagen stehen unzählige Gläubige an den Felsrändern und stimmen feierlich in den Hymnengesang der Priester ein.

Für uns erklingt die Musik hoch oben in den Bergen auf 3000 Meter Höhe. Auf Maultieren erreichen wir das erste von König Lalibela erbaute Gotteshaus, Asheten Mariam. Klare Luft, rechts und links Ambas, die typischen Tafelberge in Grau und Rosa, lebendige Dörfer und Eremitenhöhlen lassen uns den steilen Anstieg vergessen.

 

       Ein erfrischendes Bad im Langano-See

       Rechtzeitig zurück genießen wir die Einladung der Dorffrauen zur Kaffeezeremonie – ihr einziges Freizeitvergnügen im sonst arbeitsreichen Tagesablauf. Entsprechend fröhlich ist die Stimmung im Tukul – der landestypischen Rundhütte. Erst werden die prallen Bohnen geröstet, danach mit einem Mörser gemahlen. Mit heißem Wasser übergossen und mit Kardamom aromatisch gewürzt, ergibt es ein wohlschmeckendes Getränk. Draußen ziehen derweil Karawanen von Menschen zum Markt. Dort wird einiges geboten: feingearbeitete Kreuze, alte Bigeln, Prunkschirme aus Brokat und viel naive Malerei auf Kuhhäuten.

Wir verlassen das nordäthiopische Hochland. Mit den letzten Sonnenstrahlen kommen wir in die trockene, unwirtliche Danakil-Wüste. Sie ist die Heimat der kriegerischen Afar-Nomaden und Lucy, jener jungen Dame, die vor 3,5 Millionen Jahren als erste auf zwei Beinen spazierte. Heute ist sie die Vielbewunderte im Nationalmuseum von Addis Abeba. Die Afars, so schön anzusehen, dass Worte nicht ausreichen, sie zu beschreiben, streifen noch immer mit ihren Kamelherden durchs Land und pochen auf ihr Recht des Stärkeren. Sie sind wahre Zugvögel der Wüste – nur Wind und Sonne weisen ihnen den Weg.

Vulkanlandschaft und Savanne liegen hinter uns. Im Rift-Valley leben die freundlichen Arussi in Dorfgemeinschaften an den Ufern rund um die Seen des Ostafrikanischen Grabenbruchs. Von oben gesehen bilden sie eine Kette von glänzender Jade, Türkisen, Amethysten und Opalen. Marabu-Kolonien umlagern den Ziway-See, am Abiyata-See schrecken wir zigtausende Flamingos und Pelikane auf.

Glutrot ist der Himmel über Afrika. Abendstimmung am Lugano-See. Als einziges bilharziosefreies Gewässer lädt er zu einem erfrischenden Bade ein. Das Lagerfeuer prasselt, die Männer des Arussi-Stammes haben einen Kreis gebildet. Wachsam schauen sie in die dunkle Nacht, ihre blitzenden Speere sollen uns vor allzu viel neugierigen Augen schützen...

 

zum Vergrößern ein Foto anklicken !

Reiseservice:

 

Anreise: Flüge mit Lufthansa oder Ethiopian Airlines dreimal pro Woche ab 777 Euro Hin- und Rückticket.

 

Einreise: Reisepass und Visium sind notwendig.

Reisezeit: Ganzjährig; am schönsten Ende September bis Mitte April.

Gesundheit: Zu empfehlen sind Gelbfieber-Impfung, Malaria-Prophylaxe, Typhus- und Hepatitis-A-Schutz.

Ausflüge: Für Individualreisende Rundtrips ins historische Kernland mit Ethiopian Airlines ab Addis Abeba.

Reiseführer: Reise-Know-How-Verlag, in Farbe, mit Karten/Plänen für 23,90 Euro.

 

Veranstalter: u.a. bietet Rotel Tours – Das Rollende Hotel – verschiedene Expeditions-Rundreisen an: 22 Tage durchs ganze Land für 3090 Euro/P.; 22 Tage ab Addis bis Nairobi/Kenia für 3140 Euro/P.; 15 Tage Südäthiopien zu verschiedenen kleinen Ethnien für 2390 Euro/P. Alle Reisen schließen Flüge, einfache HP, Studienreiseleiter, Eintritte in Nationalparks und örtliche Führer ein. Auskunft und Buchung: 94100 Tittling/Passau, Tel.: 08504-40 40, Fax: 08504-4926;www.rotel.de

 

zurück zum Afrika- Spezial>>

zurück zum Seitenanfang>>