Mali

Leben am Ufer des Sandmeeres

Text und Fotos: Katharina Büttel

 

Afrika unverfälscht – das findet man garantiert in Mali. Das Land in Westafrika ist voller Farben, Magie und ethnischer Vielfalt. Auch wenn es zu den ärmsten der Welt gehört, faszinieren touristi-sche Attraktionen: Prächtige Städte und Moscheen aus Lehm, Maskenkult im Dogonland; das sagenumwobene Timbuktu und der Nigerstrom, Lebensnerv des Sahel. Der Reisende fühlt sich zeitweilig zurückversetzt in die Zeit der großen Entdecker.

 

         Ein uralter Traum stand hinter dieser Reise: Er kam 1324 in die Welt, als Kanga Moussa, Herrscher des prächtigen Songhai-Reiches Mali, von Timbuktu aus zu einer Wallfahrt nach Mekka zog. Er führte 60.000 Diener mit sich und so viel Gold, dass der Preis des edlen Metalls in der Region auf Jahre ruiniert war. In den Jahrhunderten darauf lockte die Wüstenstadt Gelehrte berühmtester Universitäten an. Hier, schrieb Leo Africanus 1526, stünden Bücher höher im Kurs als die alten Handelsgüter Gold und Salz zusammen, und das Volk musiziere und tanze bis spät in die Nacht. Ein fantastisches Reiseziel.

          Mit einem Auge fixiert der junge Malier die Gruppe, das andere bewacht die getrockneten Krokodilköpfe und Löwenschwänze, die er an seinem Fetisch-Marktstand feilbietet. Wir haben soeben Gao erreicht, die geschäftige Metropole am Nigerbogen im Nordosten Malis – am Rande der kargen, trockenen Sahel-Region, wo schon der Gluthauch der Sahara zu spüren ist. Und wagen uns sogleich ins Gewimmel.

 

         Alle Ethnien versammelt auf den Märkten

         Amadou, ganz in Blau - die Farbe seines Volkes, der Tuareg - gekleidet, führt uns durch Gao. Nirgendwo entfaltet sich der Zauber afrikanischen Lebens so prächtig wie auf dem Markt. Alle Ethnien Malis scheinen hier versammelt, um zu kaufen und zu verkaufen: Tuareg und Bambara strömen herbei. Peul und Bororo, Toucouleur und Mauren mischen sich bunt durcheinander – ein jeder im Gewand seiner Tradition. Die Frauen der Fulbe, die schönsten von allen, bieten Kalebassen mit frischer und dicker Kuhmilch zum Verkauf. Sie kommen in langen, mit Perlmutt verzierten Pirogen vom anderen Ufer, wo ihre Männer und Söhne vor ihren Strohhütten das Vieh züchten. Weil Bozo Fischer sind, haben ihre Frauen ganze Ufer-Quadrate mit geräuchertem Fisch gepflastert. Davor stapeln Tuareg, verhüllt mit indigofarbenen Gesichtsschleiern, den Tscheschs, Salzplatten auf den Kai – weiß und schwer wie Marmor. Importiert haben sie das weiße Gold aus Taoudenni im Süden der Sahara. Schon vor über 500 Jahren kontrollierten Gao und Timbuktu den Tauschhandel zwischen Mittelmeer und Schwarzafrika und wurden so zu Machtzentren im Sahel.

          Nach Hombori geht es durch eine Landschaft, die immer wieder überrascht und an Arizona in Amerika erinnert: Busch wechselt mit Grassteppe, Granitblöcke liegen, wie von Riesenhand verstreut, in der Trockensavanne. Unvermittelt ragen Tafelberge fast 1000 Meter in den Himmel. Zu ihren Füßen sammeln Peul-Frauen in grellbunten Boubous, das Kopftuch zu einem kunstvollen Hut gebunden, eifrig Feuerholz für den Kochofen. Schließlich bricht sie an: Die erste Nacht in freier Natur mit den schönsten und intensivsten Sternen, die man sich nur vorstellen kann.

 

         Lehmkunst in Timbuktu

         Auf schwerer Piste, durch heiße Savanne, über Hügel, Wellen und Sand, Sand, Sand, erreichen wir in Landrovern Timbuktu, die Stadt der 333 Heiligen. Eine „ewige Stadt", wie Rom, und doch das genaue Gegenteil. Nichts hält hier, alles bröckelt und zerfällt, immer wieder. Denn ewig sind hier nicht die Bauwerke aus trockenem Banco-Lehm. Ewig ist die Idee der Stadt, die aushält gegen die Wüste, ihr trotzt, ihr nie nachzugeben versucht. Wie lange noch? Die Muezzim der drei Lehm-Moscheen, die ältesten in Westafrika, schicken Tag für Tag klare Töne in den Wüstenhimmel...

         René Caillié, Gordon Laing und der größte deutsche Afrikaforscher, Heinrich Barth, erreichten als erste Europäer die Wüstenstadt Timbuktu. Sie hatten Gold und Glanz erwartet, herrliche Paläste und Moscheen. Statt Gold fanden auch sie nur bröckelnden Banco, die glorreiche Zeit war längst vorbei. Jetzt erzählen nur noch alte Schriften vom einstigen Rang der Gelehrtenmetropole. Sie zu entdecken ist dennoch ein Erlebnis. Etwas mitgenommen zwar durch diverse Paris-Dakar-Ralleys, verströmt die Stadt die Ruhe der umgebenden Wüste und ihrer alten maurisch-arabischen Kultur. Gerade der Eindruck von Trostlosigkeit löst eine Stimmung aus, die einen durchdringt und gefangen hält. Wir durchstreifen enge, von weißem Sahara-Sand verwehte Gassen, entdecken weite Plätze von archaischer Schönheit, restaurierte Wohnhäuser im Bancostil, deren Holztüren mit Silberbeschlägen verziert sind.

          Der Anblick der Fulbe-Frauen, mit extravagantem Goldschmuck behangen, wie Königinnen aus den Eingängen ihrer Häuser oder kugeligen Grashütten vor den Toren der Stadt heraustreten, bleibt unvergessen. Neben kleinen, aus massivem Gold bestehenden Ringen, die Nase, Ohren, Hals oder Haare zieren, sind ihre Ohrgehänge von unübersehbarer Eleganz. Man mag sich fragen: Soviel Gold in einem der ärmsten Länder der Welt? Für die Fulbe jedoch hat das Gold besondere Gründe: Als Halbnomaden führen sie ihr Vermögen mit sich. Am Gold erkennt man ihre soziale Stellung und Goldschmuck ist ihr Lebensretter in Dürrezeiten, wie in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

 

          Leben am Niger-Strom

          Es ist ein Morgen von biblischer Schönheit. Die Pinasse, ein elegantes Langboot mit Motor, gleitet den Niger flussaufwärts bis nach Mopti. Träge wälzt sich der drittgrößte Strom Afrikas durch die Steppe. Kinder spielen im Wasser, Frauen waschen Wäsche, in einem Boot stehen Fischer und werfen Netze aus. An den Ufern leben Bozo-Fischer; hierher treiben Fulbe-Hirten ihre riesigen Rinderherden zur Tränke. Unzählige Pirogen, beladen mit Eseln, Eselkarren und Familien tänzeln vorüber. Das Wasser schimmert grün, Schmetterlinge flattern zu Tausenden über den Strom, wie Kirschblütenblätter im Aprilwind. Am Horizont scheinen Pinassen unter geblähten Segeln über sattgrünes Land zu fahren, einer Fata Morgana gleich.

          Momente später erscheint eine Moschee wie ein Rokoko-Schlösschen mit Türmen, bespickt mit Stacheln aus Holz. Kotaga, wir halten aufs Dorfufer zu. Ein Mädchen steht da wie eine Prinzessin, mit löchriger Hose zwar und buntem Turban, aber aufrecht und stolz. Sie schenkt uns Erdnüsse – die Schokolade der Fischer. Wir nehmen sie mit ins Dorf. In der heißen Mittagsstille treffen wir auf Marabuts – Gelehrte, die sich auf die Kunst des Wahrsagens und Heilens verstehen. Um sie herum hocken Greise auf geflochtenen Palmenmatten im Schatten knorriger Bäume und bereiten alte und uralte Geschichten auf. „Unsere Alten sind unser Wissen und mit jedem von ihnen verbrennt eine Bibliothek", sagte schon Hampaté Bà, Malis berühmtester Dichter.

 

          Malis Venedig - quirliger Handelplatz im Sahel

          Mopti, das Venedig Malis, erleben wir als kaum zu überbietenden Höhepunkt einer sahelischen Hafenstadt. Wir einst in Timbuktu, kreuzen sich heute hier die Handelswege, strömen Waren und Menschen aus allen Richtungen in das quirlige Zentrum, um Salz, Trockenfisch, Gewürze und Tücher zu kaufen. Donnerstags, am Markttag, gerät das Leben aus den Fugen. Überall Geschrei, Geruch, Gedränge. Dazwischen sind die Songhai und ihre zeternden Frauen. Gewaltige Matronen hinter Körben voller Reis, den ihre Männer aus den Schwemmfeldern des „Innendeltas" ernten. Jenes durch Sümpfe, Bäche und Kanäle verstrickten Wassergeflechtes mit Tausenden Inseln zwischen den Flüssen Bani und Niger. Vielleicht das größte der Welt. Wir genießen den glutroten Sonnenuntergang im Restaurant hoch über dem Hafen und dem Strom. Fahnengeschmückte Pirogen voller Menschen überqueren das Wasser: Sie bringen Verstorbene hinüber ans andere Ufer, dorthin, wo nach uralter mystischer Vorstellung das Reich der Toten liegt – jenseits des Flusses.

 

          Die Magie der Dogon

          Wer nach Mali kommt, wandert in den Felsklippen von Bandiagara. Seit Jahrhunderten lebt dort das magische Volk der Dogon, fernab der Welt. In Dörfern wie aus einem afrikanischen Bilderbuch: Lehmhütten mit spitzen Strohdächern, mystische Beschneidungsplätze, Hirsefelder, bizarre Baobabs. Erst in den 30er Jahren wurde der Stamm von Ethnologen entdeckt und schlag-artig berühmt als eine der letzten afrikanischen Kulturen, die ihre Tradition bewahrt hat. Was die Dogon zu sagen haben, drücken sie in Masken und Tänzen aus – die sie später vor natürlicher Felsenkulisse vorführen. Ohne Touristen und Souvenirverkäufer. So geheimnisvoll, dass Wissen-schaftler noch immer darüber rätseln.

          Die Stadt Djenné am Fluss Bani ist prächtig. Mauern aus Lehm so weit das Auge reicht, ein Labyrinth aus Ocker, von der Trockenheit zerrissen. Es ist Montag, Markttag. Seit Sonnenauf-gang tröpfeln die Farben und Stimmen in die Stadt und schwellen im Laufe des Vormittags an, bis sie einen dichten Teppich für Augen und Ohren weben, unter dem der Marktplatz verschwin-det. Wie in ihrer Blütezeit im 15. Jahrhundert, als die Stadt durch Handel mit Elfenbein, Gold, Salz und Sklaven reich wurde. Wir sitzen auf den Stufen vor der Grande Moschee, dem größten, schönsten Lehmbauwerk Afrikas, und lauschen dem Summen. Alltag in einem Ort im Sahel, in dem die Bewohner leben und arbeiten wie zu Zeiten des schwarzen Königs Kanga Moussa: Fröhlich im Herzen, fleißig und stolz. Mit einer Würde, die angesichts des harten Lebens erstaunlich ist.

 

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Service:

 

Anreise: Flug mit Air France über Paris nach Bamako, Hauptstadt Malis, ab 800 Euro.

Einreise: Visum erforderlich – wird vom Veranstalter besorgt oder ist individuell drei Wochen vor Reisebeginn zu beantragen bei der Botschaft Mali: Kurfürstendamm 72, 10709 Berlin, Tel.: 030/31 99 88-3.

Reisezeit: Im April, Mai und Juni kann es bis zu 40 Grad heiß werden. Am verträglichsten ist das Reisen von Oktober bis April. In der Regenzeit, Juni bis September, kühlt sich das Land ab, es wird grüner.

 

Land und Leute: Dreimal so groß wie Deutschland, 11 Mio. Einwohner. Davon 75% Muslime, 1% Christen. Bis 1960 franz. Kolonie; seit 1992 stabile Republik. Der Norden ist trockene Sahelzone und geht in die Sahara über, der Süden feucht und fruchtbar.

 

Währung: CFA-Franc (1 Euro = 660 CFA)

Sprache: Französisch

 

Impfung: Gelbfieber-Impfung vorgeschrieben, Malaria-Prophylaxe unerlässlich (gegen Mücken hilft Autan, noch besser ‚No-bite‘, in der Dämmerung lange, helle Kleidung tragen, nachts Moskitonetz benutzen). Typhus- und Cholera-Impfung empfehlenswert.

 

Reiseführer: „Reise Know-How“: Westafrika Band 1: Sahelländer, 25 €.

 

Reiselektüre: J.-L. Manaud, M. Ravache: „Strom der Wüste – Der Niger“, Delius Klasing Verlag;  Amadou Hampaté Bá: „Jäger des Wortes“, Peter Hammer Verlag

 

              

 

Veranstalter: Rotel-Tours, 22-Tage-Bus-Expedition durch Senegal, Mali, Burkina Faso, Ghana für 2940 € , Flug/HP/Reiseleitung inklusive: 94104 Tittling, Tel.: 08504/4040; Fax: 08504/4926; www.rotel.de.

 

Auskünfte: Konsularische Vertretung der Republik Mali, Dachsberger Weg 15; 47475 Kamp-Lintfort; Tel.: 02842/64 98; www.mali-online.de

 

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